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Proteste in Kasachstan

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Hintergrund

Kasachstan ist die ehemalige sowjetische Republik, die seit 1991 als eigenständiger Staat existiert. Die kasachischen Steppen liegen südlich von Ural und Sibirien, dennoch ist das kontinentale Klima ziemlich hart, mit kaltem Winter; Kasachstan besitzt unzählige Bodenschätze. Die Grundlage seiner Wirtschaft ist der Verkauf von Öl, Gas, Uran, Zink, Kupfer und anderen Metallen und Mineralien ins Ausland. Kasachstan besitzt ebenfalls das sowjetische Erbe – Schwerindustrie, Maschinenbau, Waffenproduktion und auch den Weltraumhafen Baikonur, der von Rußland gemietet wird. Auch die landwirtschaftliche Branche ist stark entwickelt, Kasachstan gehört zu TOP-10 weltweit im Weizenexport.

Die meisten Exportwaren, besonders Kupfer, werden nach China geliefert. An zweiter Stelle kommt Italien, danach Rußland, die Niederlanden und andere westliche Länder inclusive USA.

Kasachstan hat eine typisch periphere abhängige Rohstoff-Wirtschaft. Der Vorteil dabei ist, daß diese Wirtschaft nicht von einem, sondern gleich von mehreren imperialistischen Zentren abhängig ist. Die US-amerikanischen, chinesischen, russischen, niederländischen, und deutschen Kapitalisten exportieren dorthin ihr Kapital und bekommen relativ billige Rohstoffe und womit sie enorme Profite erzielen. Kasachstan selbst hat wenig Vorteil von seinem Reichtum. Das Lebensniveau ist niedrig, und die soziale Ungleichheit hoch.

Politisch ist Kasachstan eine bürgerliche Demokratie. Der vorherige Präsident Nursultan Nasarbaev blieb fast 30 Jahre lang auf seinem Posten und hat ihn erst 2019 an Kasym-Shomartu Tokaev übergeben. Trotzdem blieb Nasarbaev an der Macht, indem er einige wichtige Posten in der Regierung besaß und faktisch über dem neuen Präsidenten stand. In Kasachstan sind bereits mehrere Nasarbaev-Denkmale gebaut (die meisten wurden nun abgerissen), und die Hauptstadt bekam zu seinen Ehren den Namen „Nursultan“.

Nasarbaev kann man keineswegs mit dem Präsidenten einer anderen postsowjetischen Republik, Lukaschenko in Belarus, vergleichen. In Gegensatz zu Lukaschenko hat Kasachstans Regierung alles gemacht, um die sowjetische Zeit möglichst schwarz darzustellen, die Geschichte im bürgerlichen Sinne umzuschreiben. Der Nationalismus wurde die ganze Zeit gefördert, die russische und sonstige nicht-kasachische Bevölkerung benachteiligt und des Landes verwiesen. Lenin-Denkmale in vielen Städten wurden abgerissen. Obwohl Kasachstan gute Beziehungen zu Russland pflegt, gibt es dort auch die NATO: z.B. Trainingscenter NATO in Almaty, auch die Außenpolitik ist zwiespältig.

Arbeiter in Kasachstan

Obwohl in den letzten 30 Jahre teilweise die halb-feudale Ordnung, besonders in ländlichen Gebieten, nach Kasachstan zurückkam, gibt es dort eine sehr große und gut organisierte industrielle Arbeiterklasse. Die spontanen und großen Streiks sind in Kasachstan keine Seltenheit. 2006, 2009, 2011 kam es zu großen Klassenkämpfen. Die Arbeiter stellten auch politische Forderungen und verlangten die Vergesellschaftung der Rohstoffindustrie. 2011 beging die Bourgeoisie und Regierung ein blutiges Verbrechen: in Schangaösen wurden streikenden Arbeiter rücksichtslos erschossen (offiziell 15 tote Menschen, inoffiziell spricht man von 60), noch mehr wurden verletzt oder landeten in Gefängnissen. Aber das hat die kasachischen Arbeiter nicht abgehalten, und die Proteste und Streiks haben nicht aufgehört. Das ist besonders bewundernswert, weil die Kommunistische Partei (sogar die opportunistische KPRF-verbundene KP Kasachstans) im Land komplett verboten ist. Die Kommunisten sollen sich als „Sozialistische Bewegung“ bezeichnen, um irgendwie noch handeln zu können. Trotzdem sitzen mehrere von ihnen in Haft, die anderen sollten aus dem Land fliehen. Auch die Gewerkschaften sind verboten! Trotzdem bilden die Arbeiter in meisten Großbetrieben die Arbeiterkomitees, die auch dafür kämpfen, dass mindestens die Gewerkschaften zugelassen werden. Das, was wir in Kasachstan sehen, ist komplett spontaner, bewusster Kampf der Arbeiter, der mutigen und klassenbewussten Arbeiterklasse, die sich zu einer wirksamen politischen Macht entwickelt hat.

Januar 2022

Die Proteste im Januar haben als Arbeiterproteste angefangen. Sie starteten gerade im kämpferischem Shangaösen, wo die Arbeiter der Ölindustrie gegen die Gaspreiserhöhungen streikten, auch in Atyrau und anderen Städten des Gebiets Mangystau. Die Streiks und Kundgebungen haben schnell in mehreren Landteilen angefangen: die Bergarbeiter in Karaganda, Jeskasgan, die Arbeiter in Aktjubinsk, Uralsk, Kysyl-Ordy, Schymkent, Kokschetau, Kostanai und vielen anderen Städten und Orten. In Schymkent haben die Lastwagenfahrer die Straßen gesperrt.

Die Regierung hat diesem Druck sofort nachgegeben und die Gaspreiserhöhung wieder komplett zurückgenommen. Das hat aber nicht viel gebracht, denn die Arbeiter verlangten schon nach weiteren Schritten: Lohnerhöhung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und auch den Rücktritt des Präsidenten und der Regierung. Die Regierung ist zurückgetreten, der Präsident allerdings nicht. Nasarbaev hat seine Stellung verloren und kommt höchstwahrscheinlich nicht mehr zur Macht. Auch im sozialen Bereich wurde etwas erreicht: die weiteren Preiserhöhungen für Heizung, Gas und Lebensmittel wurden für ein halbes Jahr verboten, eine zusätzliche Steuer auf die Arbeitnehmer wurde gestrichen. Die hochbezahlten Beamten bekommen in den nächsten 5 Jahren keine Gehaltserhöhung, die staatliche Regulierung der Wirtschaft wird generell erhöht.

Die organisierten Proteste der Arbeiter zogen auch die chaotischen Zustände nach sich. Überwiegend nahm dort die arbeitslose Jugend teil. Nationalisten, islamische Fundamentalisten, teilweise auch aus den Nachbarländern haben versucht, diese Proteste für die eigene Zwecke zu benutzen. In Almaty haben die Aufständischen die Kontrolle über die Stadt übernommen, mehrere Gebäude, Autos wurden verbrannt. In anderen Städten kam es auch zu brutalen Auseinandersetzungen. Am 15 Januar wurden 225 Menschen getötet, darunter 19 Polizisten, 4353 Menschen wurden verletzt, mehrereTausend verhaftet.

Am 6 Januar hat OVKS – militärische Union von Rußland, Belarus, Usbekistan und anderen Ländern – die Truppen für Kasachstan angefordert. Die russischen Kommunisten waren sich in der Einschätzung dieses Schrittes nicht einig. Einige schrieben, daß es eine imperialistische Aktion ist, die anderen, daß es nötig wäre, um die Ruhe und den Frieden im Nachbarland von Rußland gegen die islamistischen und nationalistischen Elemente zu sichern. Die Arbeiterproteste sind im Moment bereits nicht mehr so relevant. Die angeforderten Truppen werden jetzt auf jeden Fall wieder abgezogen (Frist ist der 23. Januar). Der Frieden im Land ist wiederhergestellt und die Ergebnisse sind eher positiv. Die Arbeiterklasse hat gelernt, zu kämpfen um zumindest ihre Teilziele zu erreichen.

Schlußfolgerungen

In Fall Kasachstan können wir auf keinen Fall über eine „Bunte Revolution“ sprechen. Diese Proteste waren nicht aus dem Ausland organisiert (auch wenn dort einige ausländische Kräfte anwesend waren). Der Zorn des Volkes wurde entfacht. Leider sieht dieser Zorn nicht immer organisiert und vernünftig aus.

Höchstwahrscheinlich spielte hier die Auseinandersetzung der Eliten eine große Rolle, die der „Klans“ von Tokaev und Nasarbaev. Schließlich war es sehr unvernünftige von der Regierung, zur Neujahrfeier die Gaspreise zu erhöhen. Zumal in Kasachstan die meisten Haushalte mit Gas geheizt und die Autos von Gas angetrieben werden. Wahrscheinlich wurde das mit Absicht getan. Es lohnt sich aber nicht, darüber zu rätseln. Das wichtigste für uns ist: die Arbeiterklasse Kasachstans lernt richtig zu kämpfen und irgendwann wird es zu einer proletarischen Revolution kommen.

Die russischen kommunistischen Parteien RKAP und VKP, und selbst – auch wenn sehr vorsichtig – KPRF haben ihre Solidarität mit den Arbeitern Kasachstans ausgedrückt. Auch mehrere kommunistischen Parteien der Welt erklärten ihre Solidarität. So schrieb die RKAP in ihrer Erklärung bei Solidnet:

Wir sehen in ihrem Kampf das Wachstum des Selbstbewußtseins der Arbeiterklasse, den Erwerb unschätzbarer Erfahrungen mit erfolgreichem Kampf und die Erkenntnis der Notwendigkeit, eine Klasse zu organisieren. Von besonderer Bedeutung ist die Erkenntnis der Notwendigkeit der Klassensolidarität, der Übergang von Forderungen an einen Eigentümer zu Forderungen an die gesamte herrschende Klasse und von rein wirtschaftlichen Forderungen zu politischen. Wir verurteilen scharf die Aktionen deklassierter Elemente, Provokateure und Plünderer, die sich dem Volksprotest angeschlossen haben, die Leistung des multinationalen Proletariats Kasachstans diskreditiert und es den Behörden erleichtert haben, Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen unter dem Deckmantel des „Schutzes der Bevölkerung“ gewaltsam zu unterdrücken.

Wir sehen, daß eine revolutionäre Situation noch weit entfernt ist. Bisher haben die Arbeiter Kasachstans weder eine Organisation noch ein kommunistisches Bewußtsein. Aber sie haben in ihrem Kampf einen Schritt nach vorne getan und dieser Schritt muß unsere Unterstützung finden.“

Dem schließen wir uns an.

Solidarität mit den Arbeitern und Werktätigen in Kasachstan!

Freiheit den politischen Gefangenen!

Solidarität mit unseren Genossinnen und Genossen in Kasachstan.

Olga Kalinina


Quellen:

https://invest.gov.kz/ru/about-kazakhstan/economy/

https://www.rbc.ru/economics/12/01/2022/61dc3c029a79474999203b91

http://socialismkz.info/

https://www.youtube.com/watch?v=ShVqCeBBoyY&t=11s

https://www.gov.kz/memleket/entities/prokuror/press/news/details/312074?lang=ru

http://www.solidnet.org/article/RCWP-/

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