Manifest für den Frieden?
- Details
- Kategorie: DRF online
- Veröffentlicht am Donnerstag, 02. März 2023 10:00
- Geschrieben von estro
- Zugriffe: 3715
Am 25.02.2023 haben wir in Berlin und u.a. auch in Köln an der von Wagenknecht und Schwarzer initiierten „großen Friedenskundgebung“1 teilgenommen. Auf dieser Kundgebung durften Plakate von „Schwerter zu Pflugscharen“ und Huldigungen für den Friedensnobelpreisträger Gorbatschow natürlich nicht fehlen. „Verhandeln, statt Waffenlieferungen“ heißt die Parole des „Friedensmanifests“2 zu dessen Unterzeichnung sich auch ein gewisser Tino Chrupalla (AfD) durchringen konnte. Wie zu erwarten, war die Demo in Berlin purer Antikommunismus. Gleich zu Beginn wurde neben dem Verbot von russischen Nationalfahnen auch explizit die Fahne der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als verbotene Fahne aufgezählt. Auch die KPD-Fahne war verboten, weshalb wir nur mit „neutralen“ roten Fahnen teilgenommen haben.
Zu den Erstunterzeichnern des sogenannten „Manifests für Frieden“ gehörte auch Multimillionär und Chef des Trigema-Konzerns Wolfgang Grupp. Grupp fiel in der Öffentlichkeit mit seinen kritischen Bemerkungen bzgl. des Stopps der Gasimporte aus Rußland auf. Im Artikel der Stuttgarter Zeitung mit dem Titel: „Ich halte von den Amerikanern nichts“ vom 03.02.20233 wird berichtet:
"Schon im vorigen Jahr hatte der Millionär den westlichen Regierungen vorgeworfen, mit Waffenlieferungen den Krieg zu verlängern, statt ihn durch Diplomatie und Gespräche frühzeitig einzudämmen. Indirekt äußerte er auch Verständnis für Putin, weil die Nato Moskau nach der Wiedervereinigung versichert hätte, daß man nicht näher an Rußland heranrücken werde. Und in einem Interview mit BW24.de hat Grupp die Verschwörungstheorie aufgestellt, `daß der Amerikaner im Hintergrund alles steuert, damit er alleine eine Weltmacht bleibt´. Die Gewinner an diesem Krieg seien einzig die USA. Zudem hat sich der Burladinger gegen Sanktionen und für Gasimporte aus Rußland ausgesprochen."4
Letzteres ist entscheidend: Am Stopp der Gasimporte profitiert momentan der ideelle Gesamtkapitalist, der sich an dem Ziel des US-Imperialismus der Zerstückelung Rußlands beteiligt, Waffen liefert und mittels eines „Sondervermögens“ die Bundeswehr für Profite kriegstauglich macht. Doch nicht alle Teile der Bourgeoisie profitieren gleichermaßen davon. Unternehmen, die im Zusammenhang mit ihrer Produktion auf die Gasimporte angewiesen sind, kommen dabei natürlich schlecht weg. Grupps Trigema-Konzern stellt hauptsächlich Textilwaren her. Im „Merkur“ war am 05.07.2022, im Falle eines drohenden Lieferstopps zu lesen:
„Auch die Textilbranche würde laut Handelsblatt unter einem Gas-Lieferstopp sehr leiden. Über 20 Prozent beträgt der Anteil des russischen Gases am Energieverbrauch in der Branche. Vor allem der Herstellungsprozess von Funktionsgeweben in Produkten wie Airbags oder Arbeitsschuhen braucht eine Menge Gas."5
Zum Schutz ihrer Profite, entwickeln Teile des deutschen Monopolkapitals ein Interesse an der Beibehaltung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der russischen Bourgeoisie. Grupps Trigema-Konzern ist angewiesen auf das russische Gas. So wird verständlich, weshalb Grupp sich „gegen Sanktionen und für Gasimporte aus Rußland“ ausspricht und entsprechende Initiativen unterstützt. Eindeutig auch, warum Grupp „Verständnis für Putin“ zeigt, und die USA als den alleinigen Gewinner des Krieges darstellt und nun neben anderen Erstunterzeichnern das „Manifest für Frieden“ unterstützt. Zudem wird dann schnell klar, um was wirklich „verhandelt“ werden soll: Um die gleichberechtigte Ausbeutung der Arbeiterklasse unter Berücksichtigung der Interessen aller Kriegsparteien.
Von den Organisatoren der Kundgebung sehr geschickt eingefädelt: Statt einer eindeutigen Absage an die Querfront, verbot man Parteifahnen. So weiß keiner, wie viele Leute von der AfD, „Freies Sachsen“ und sonstigen faschistischen Organisationen tatsächlich teilgenommen haben. Doch, daß auf der Demo in Berlin eventuell auch Rechte mitlaufen könnten, stört Grupp nicht: Ihm geht es logischerweise um die Absicherung seines Konzerns. Wenn Rußland verliert, bzw. „ruiniert“ wird, brechen die dortigen Gasimporte weg. So erhält die Kundgebung von Wagenknecht und Schwarzer entsprechende Unterstützung durch das deutsche Monopolkapital. Selbstredend beinhaltet das „Manifest für Frieden“ nicht die Forderung nach Umwälzung der Produktionsverhältnisse, was die Grundvoraussetzung für die Schaffung eines nachhaltigen Friedens wäre. Kapitalismus treibt den Krieg. Den wollte von den Organisatoren der Demo niemand abschaffen. Die Abrüstung der Bundeswehr war übrigens ebenfalls nicht Bestandteil des Manifests.
Die Arbeiterklasse wird politisch vom deutschen Kapital mal wieder vor eine scheinbare Wahl gestellt. Entweder die „klassische“ Linie: Unterstützung der faschistischen Ukraine mit Waffen, „Ruinierung“ und Zerstückelung Rußlands, und das feste Bündnis mit dem US-Imperialismus. Oder: Engere ökonomische Bindung an die Rohstoffe des russischen Imperialismus und damit verbunden der Kampf für eine alternative strategische Ausrichtung des deutschen Imperialismus hin zu den BRICS-Staaten, u.a. mithilfe von Rußland unterstützten Faschisten.
Die ZDF-Sendung von Markus Lanz, des 21.02.20236, war sehr bezeichnend: Sowohl die eine Seite, vertreten von Lanz, Kühnert, Owsjannikowa und Melnyk7, als auch die andere Seite, vertreten von Wagenknecht, werfen sich gegenseitig vor, daß sie keinen ausgereiften Plan zur Beendigung des Krieges hätten. Im Prinzip haben sie alle Recht: Keine der beiden Seiten, hat einen wirkungsvollen Plan für die Realisierung eines nachhaltigen Kriegsendes. Weder „verhandeln“ um die Berücksichtigung aller Profit- und Ausbeutungsinteressen der kriegsbeteiligten Staaten, noch weitere Waffenlieferungen werden den Konflikt lösen.
Nun waren wir dennoch in Köln und Berlin an den Kundgebungen beteiligt. Das war richtig. Trotz der Querfrontgefahren und der nicht-Benennung der wahren Kriegsursache – der Kapitalismus – waren tatsächlich auch viele Friedensanhänger auf der Straße, die es ernst meinten. Gerade wegen dieser Widersprüche um die Kundgebung und der Petition von Wagenknecht und Schwarzer sollten wir versuchen diese Menschen zu erreichen und ihnen die Widersprüche zu erklären. Langfristig sollte jedoch das Ziel sein, eine eigene nicht-bürgerliche Friedensbewegung mit anderen linken Kräften auf die Beine zu stellen. Mit klaren Forderungen, welche eine Querfront ausschließen. Dafür braucht es jedoch einen einheitlichen und vor allem klaren Standpunkt zu Krieg und Imperialismus. Denn ohne revolutionäre Theorie, gibt es keine revolutionäre Praxis.
Das „Manifest für den Frieden“ bringt uns nicht den Frieden, da es die kapitalistische Produktionsweise beibehalten will. Diese Position ist dann auch für die ständige Gefahr der Querfront verantwortlich. Weder „Schwerter zu Pflugscharen“, noch Gorbatschow, welche Themen auf der Kundgebung waren, haben den Frieden geschaffen. Mit ihrer Beteiligung an der Vernichtung des Sozialismus, vernichteten sie die Friedensinitiative. Erinnert sei auch nochmal an unseren ZK-Beschluß vom November: Ohne sozialistische Perspektive, kein Antiimperialismus. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis die Massen begreifen, daß nur die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der planwirtschaftliche Sozialismus den Frieden garantiert?
Tim Schoenmakers
Quellen:
1 Siehe Ankündigung von Wagenknecht und Schwarzer per Video: https://www.youtube.com/watch?v=CpAML_2ANqc.
2 „Manifest für Frieden“, Petition auf change.org. Link: https://www.change.org/p/manifest-f%C3%BCr-frieden
3 Stuttgarter Zeitung. Artikel: „Ich halte von den Amerikanern nichts“, 03.02.2023. Link: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.trigema-chef-wolfgang-grupp-da-wuerden-sie-sagen-der-grupp-spinnt.a167c259-b9c4-4b6b-97b4-4ce83428bf75.html
4 Ebenda
5 Merkur. Artikel: „Getränke, Textilien und Medikamente: Welche Folgen ein russischer Gas-Lieferstopp hätte“, 05.07.2022. Link: https://www.merkur.de/wirtschaft/gas-lieferstopp-rußland-industrie-wirtschaft-verbraucher-medikamente-textilien-getraenke-neu-zr-91642789.html
6 ZDF-Sendung: „Markus Lanz“, vom 21.02.2023. Link: https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-21-februar-2023-100.html
7 Anmerkung am Rande: Vor allem von Melnyk kam der reinste Antistalinismus, ebenso von Lanz, und Owsjannikowa verglich mehrmals den russischen Imperialismus mit der Sowjetunion. Also eine ganz normale bürgerliche Talkshow.