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In den Gewerkschaften kämpfen – Aber wie?

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Bildungstag verpixelt


Der 1. Mai und die Anfang des Jahres aufflammenden Arbeitskämpfe waren für uns in Leipzig Anlass, um uns im Rahmen eines Bildungstages einmal genauer mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Zu Beginn riefen wir uns einige Klassiker zur Gewerkschaftsarbeit in Gedächtnis und konnten unmissverständlich feststellen, dass trotz aller Widrigkeiten (Reformismus, bürgerliches Demokratieverständnis, Arbeiteraristokratie, Korrumpierung und Sozialpartnerschaft, …) ein Engagement in den Gewerkschaften unabdingbar ist. Marx und Engels schrieben schon im „Manifest der Kommunistischen Partei“, dass allein die organisierte Vereinigung der Arbeiter zum Zwecke von Arbeits- und Lohnkämpfen einen unmittelbaren wenn auch begrenzten Erfolg gegenüber der Bourgeoisie darstellt. Auch Luxemburg schreibt in „Sozialreform oder Revolution“ darüber, dass die Gewerkschaften als organisierte Defensive der Arbeiterklasse unter anderem „notwendig zur Hebung der Lebenshaltung und der Vergrößerung des Anteils der Arbeiterklasse am gesellschaftlichen Reichtum“ sind. Eine scharfe Kritik an den reaktionären Degenerationen in den Gewerkschaften finden wir bei Gramscis „Die Gewerkschaften und die Diktatur“, wobei auch er ihnen eine herausragende Rolle zuschreibt. Er nennt sie den „vielleicht wichtigste[n] proletarische[n] Organismus der Revolution […], weil auf ihr die Sozialisierung der Industrie beruhen muß, weil sie die Voraussetzungen schafft, daß das Privatunternehmen ein für allemal verschwindet“. In dieselbe Kerbe schlägt auch Lenin, wenn er in „Der ‚Linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit der Kommunismus“ schreibt, dass die Gewerkschaften „unentbehrliche Schulen des Kommunismus“ sind und die Arbeiter dort „zum erstenmal von der vollständigen Unorganisiertheit zur elementaren, untersten, einfachsten zugänglichsten Organisationsform, nämlich zu den Gewerkschaften über[gehen]“. Demzufolge ist sein Urteil auch vernichtend denen gegenüber, die die Arbeit in den Gewerkschaften ablehnen:

„Die deutschen „Linken“ betrachten es für sich als entschieden, daß diese Frage [Sollen die Revolutionäre in den reaktionären Gewerkschaften arbeiten?] unbedingt verneinend zu beantworten ist. Ihrer Meinung nach genügen Deklamationen und zornige Ausrufe gegen die „reaktionären“ und „konterrevolutionären“ Gewerkschaften […] um „zu beweisen“, daß Revolutionäre, daß Kommunisten in den gelben, sozialchauvinistischen, paktiererischen, Legienschen, konterrevolutionären Gewerkschaften nicht zu arbeiten brauchen, ja sogar nicht arbeiten dürfen. Wie sehr die deutschen „Linken“ aber auch überzeugt sein mögen, daß diese Taktik revolutionär sei, in Wirklichkeit ist sie grundfalsch und enthält nichts als hohle Phrasen."

Viele der Schwierigkeiten in der Gewerkschaftsarbeit von damals finden wir auch heute vor - ebenso wie jene, die wegen der reaktionären Anteile in den etablierten Gewerkschaften selbständige Organisationsformen anstreben statt in ihnen zu Wirken.

So beschäftigte sich der zweite Teil unseres Bildungstages konkreter mit der Arbeit der Kommunisten in den Gewerkschaften heute. Dazu spiegelte ein erfahrener gewerkschaftlicher Aktivist, was wirklich dran ist an der Kritik einiger kommunistischer Gruppen - Dass insbesondere der DGB mit seinen Mitgliedsgewerkschaften ein schlaffer, durch und durch sozialpartnerschaftlicher Apparat sei, in dem vorallem die Führung ständigen Verrat an der Arbeiterklasse begeht und schlechte Ergebnisse erzielt. Kernpunkte dabei waren, dass sich in den Kritiken vorallem ein institutionelles Gewerkschaftsverständnis zeigt und die tatsächlichen Umstände des jeweiligen Kampfes und der Bewusstseinsstand der Kolleginnen und Kollegen nicht in den Blick genommen werden. Auch über den tatsächlichen Ablauf der Prozesse zum Tarifabschluss und den geführten Diskussionen unter den Belegschaften besteht häufig wenig Kenntnis. Wie bereit zum Streik und wie erfahren zu seiner Durchführung sind die Arbeiter tatsächlich? Wie weit sind sie bereit für ihre Forderungen zu gehen? Welche Dynamiken gibt es in den Tarifauseinandersetzungen? Vorallem die Frage des Bewusstseins und des Organisierungsgrades der Arbeiter spielte hier eine zentrale Rolle. Verbreitet ist ein Verhältnis der Arbeiter (und auch der Kommunisten) zur Gewerkschaft, in der diese vorallem in einer Bringschuld gesehen wird, statt sie als selbstorganisiertes Kampforgan zu begreifen. Das bringt eine Situation hervor, in der u.a. Stellvertretertum, Frustration und unrealistische Erwartungshaltungen gedeihen. Austritte, ein geringes Mobilisierungspotential und eine geringe Durchsetzungsfähigkeit sind vorprogrammiert. Eine klassenkämpferische Perspektive, die den teilweise schon historisch zurecht kritisierten reaktionären Tendenzen etwas entgegensetzen kann, kommt gar nicht erst zum Zuge, sondern bleibt pseudorevolutionäre Prophezeiung.

Unsere Diskussion drehte sich also maßgeblich um die Frage der Bewusstseinsbildung und die Rolle der Kommunisten dabei. Es wurde herausgestellt, dass wir besser verstehen müssen, welche unmittelbaren Sorgen und Nöte unsere Kollegen und uns selber plagen. Wo liegt das Mobilisierungspotential - der Frust, den der faulende Kapitalismus mit sich bringt? Wo können wir Seite an Seite für unmittelbare Verbesserungen in unserem Betrieb kämpfen? An welchen Punkten kann das gemeinsame Kämpfen überhaupt erst einmal geprobt und gelernt werden? Nur wenn wir eine Praxis entwickeln, die Alltagsfragen im gemeinsamen Kampf klärt und Solidarität konkret erfahrbar macht, können wir dahin kommen, dass die Gewerkschaften nicht als Organisationen FÜR die Beschäftigten sondern DURCH die Beschäftigten verstanden werden und ihre gesellschaftlichen Aufgaben im Sinne der Arbeiterklasse erfüllen. Unsere Aufgabe als Kommunisten kann dabei nicht sein, am lautesten die Wahrheit zu verkünden und jeden vermeintlich Unwissenden schnellstmöglich über seine missliche Lage als Ausgebeuteter zu belehren. Unsere Aufgabe als Kommunisten im Betrieb besteht darin, der treueste und aufrichtigste Kollege zu sein. Zu Verstehen wie der Bewusstseinsstand der Kollegen ist und welche Prozesse wir gemeinsam machen müssen, um einen höheren Organisierungsgrad (quantitativ wie qualitativ) zu erreichen - um überhaupt erst die Basis zu schaffen, wirkliche Machtfragen zu stellen.

Abgesehen davon, wurden einige weitere spannende Aspekte angerissen - u.a. die Frage, welche Rolle es spielt, dass die Monopolkapitalisten des deutschen Imperialismus in der Lage sind, die Arbeiter zu Teilen mit hohen Löhnen zu korrumpieren. Wie sich die Gewerkschaften in Fragen des Krieges positionieren. Oder welche Auswirkungen es hat, dass wir keine starke kommunistische Partei haben, die gewerkschaftliche Kämpfe auswerten, den Genossen Orientierung geben und die Kämpfe der Arbeiterklasse auf ein höheres Niveau heben kann. Auch die Notwendigkeit und Verhinderung des politischen Streiks konnte nur andiskutiert werden.

Das alles bietet uns ausreichend Stoff für weitere spannende Bildungstage und Diskussionsveranstaltungen und wir freuen uns auf weiteren Austausch dazu!

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